Was ist Schamanismus?

Eine allgemein anerkannte Definition von Schamanismus gibt es bisher nicht. Man versteht darunter üblicherweise ein religi￶s-magisches Phänomen, das zuerst bei verschiedenen indigenen V￶lkern Sibiriens beobachtet und beschrieben wurde. Oft wird versucht, den Begriff von diesem kulturellen Raum zu abstrahieren und auf ähnliche Erscheinungen weltweit anzuwenden. Die immer noch weitverbreitete Annahme, der Schamanismus stelle die religiöse Praxis der Steinzeit dar, beruht auf Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und bleibt letztlich spekulativ.

Wesentliche Elemente des Schamanismus sind Trance bzw. Ekstase (veränderte Bewusstseinszustände), das Motiv der Seelenreise und die Interaktion mit Geistwesen. Zentrale Figur des Schamanismus ist der Schamane, der eine Mittlerrolle zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt einnimmt und seine besonderen Fähigkeiten zum Wohl seiner Gemeinschaft einsetzt.

Besonderes Merkmal ist der Einsatz verschiedenster Mittel (u.a. rhythmisches Trommeln, Tanz, Trancetanz). Diese werden im Allgemeinen interpretiert als Übergang in einen anderen Seinszustand, eine Anderswelt und Kommunikation mit Geistern. Dem Schamanen wird zugesprochen, er erlange dadurch besondere Fähigkeiten der Heilung und Weissagung sowie verschiedenste spezifische magische Kräfte. So ausgestattet versieht der Schamane kulturspezifisch eine teils große Zahl von Rollen – vom Heiler und Exorzisten über den Psychopompos (Begleiter der Seelen ins Totenreich) bis hin zum Zeremonienmeister.

Das schamanistische Weltbild ist in Schichten gegliedert; neben dem besonders häufig nachgewiesenen dreischichtigen Modell (Himmel, Erde, Unterwelt) kommen sieben- oder gar neunschichtige Modelle vor. An einer Achse, dem Weltenbaum, steigen die Schamanen auf und ab. Auf ihren schamanischen Reisen werden sie oft von ihrem Krafttier, manchmal sogar von mehreren, begleitet.

Das Wort Schamane stammt nach der Meinung der meisten Forscher aus dem Sanskrit, genauer gesagt dem tungusischen šaman (ša=wissen, šaman=der Wissende). Eine weitere Theorie stellt einen Bezug zum mandschurischen samarambi her, das „um sich schlagen oder sich empören” bedeutete.

Die Aufgaben des Schamanen umfassen u.a. Krankenheilung, Geleit verstorbener Seelen ins Totenreich, Zurückholen verlorener Seelen, Abwehr böser Geister, Wettervorhersage und -beeinflussung, Finden von Jagdwild, Weissagung, (Prophetie), soziale Regulierung und den Umgang mit geistig gestörten Menschen. Des weiteren fungiert der Schamane ebenfalls als Lehrer in einigen Lebensbereichen, die das soziale Umfeld direkt betreffen.

Der Schamane ist gleichzeitig auch Vermittler zwischen Guten und Bösen Energien. Ein Schamane redet mitnichten mit dämonischen Kräften, dennoch ist er in die Lage versetzt, ihnen Einhalt zu gebieten oder sie gar wieder in ihre Welt zurückzuschaffen. Liebes- und Schadenszauber (Flüche) fallen nicht in seinen Aufgabenbereich, da er dies als unethisches Brauchtum ansieht.

Daneben fungiert er als Leiter von Opferzeremonien zur Besänftigung der Geister, als Psychologe und Wahrsager. Er stellt meist den Pfeiler einer Gemeinschaft da, weil er als Erzähler, Sänger und Dichter von Mythen und Geschichten, die Rolle des Bewahrers von Frieden darstellt.

 

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